Digitale Systemlandschaft CôtéGare
Das Neubauprojekt CôtéGare in Bussingy gewann den Real Estate Award 2022 in der Kategorie «Immobilien-Bewirtschaftung/Bau-Digital». Wir haben mit Vertreterinnen und Vertretern der Anlagestiftung Turidomus, der Beratungsfirma pom+ Consulting AG und der Plattformfirma Allthings Technologies AG über die Hintergründe der Zusammenarbeit schon ab der Planungsphase gesprochen.
Herr Simonot: Die Eigentümer haben sich frühzeitig zum Projekt CôtéGare Gedanken gemacht, wie der Betrieb optimal funktionieren wird: Warum?
Simonot: Im Bau legt man die Grundlagen für einen effizienten Betrieb. Wenn man sich überlegt, dass die Betriebszeit 20–50x länger ist als die Bauzeit, ist klar, dass ein früher Fokus auf ein möglichst effizientes Umfeld im Betrieb wichtig ist. Die Tatsache, dass immer mehr Technologien auf Gebäuden verbaut werden, um neue Nutzungskonzepte, Nachhaltigkeitsanforderungen etc. umzusetzen, verschärft die Situation.
Frau Moser und Herr Stäuble: Unter anderem wurden pom+ und Allthings jeweils beauftragt, das Projekt in der Planungs- und Bauphase zu begleiten. Welche Ziele haben sie dabei verfolgt?
Walther: pom+ wurde mit der übergeordneten Planung des Arealbetriebs über alle Phasen des Gebäudelebenszyklus beauftragt. Dabei ist unser Ziel, einen nachhaltigen, wirtschaftlichen und reibungslosen Betrieb zu gestalten. Neben der Betriebskonzeption mit allen relevanten Prozessen wurde die Organisationsentwicklung, Kalkulation der Lebenszykluskosten sowie das Sourcing der für den Betrieb notwendigen Ressourcen durchgeführt. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung wurde darauf geachtet, dass die Anforderungen an die Lösung auf Basis der verschiedenen betrieblichen Use Cases und Betriebsprozesse mit dem Eigentümer und späteren Betreiber abgestimmt werden.
Moser: Grosse Neubau-Areale zeichnen sich heute dadurch aus, dass sehr viele verschiedene digitale und smarte Komponenten verbaut werden. Auf CôtéGare kommen 13 technische Lösungen zum Einsatz, u.a. eine digitale Lösung für das Parkplatzmanagement, digital zugängliche Paketboxen oder ein Buchungssystem für Gemeinschaftsräume mit passendem digitalem Zugangs- und Zahlungssystem. Die Herausforderung für den Eigentümer und den späteren Betreiber liegt in der schieren Menge der eingesetzten Lösungen. Denn diese sollten auch langfristig im Betrieb nahtlos miteinander funktionieren. Verbindet man diese Systeme nicht, dann muss ein Bewirtschafter bei jedem Mieterwechsel in 13 verschiedenen Systemen Anpassungen vornehmen oder vor Ort die entsprechende Hardware von Hand anpassen. Allthings wurde beauftragt, in der Planungsphase quer über sämtliche Technologiegruppen sicherzustellen, dass diese im Betrieb reibungslos miteinander funktionieren und nicht als Silo-Lösungen nebeneinander stehen.
Herr Simonot: Was waren wesentliche Erkenntnisse aus diesen Arbeiten für das Projekt CôtéGare?
Simonot: Der Beitrag von pom+ war notwendig, um das FM-Konzept des Projekts proaktiv umzusetzen: Wer nicht in planungs- und baubegleitendes FM (pbFM) investiert, riskiert bei der Inbetriebnahme Korrekturen, die das x-fache der Konzeptionskosten ausmachen. Die Plattform von Allthings integriert zusätzlich die vielen technische Komponenten, wie die Paketboxen, Parkschranken, Schliesssysteme oder Energieproduktionssysteme. Das ermöglicht allen Nutzern einen einfachen Zugang zu allen Dienstleistungen und Infrastrukturen und vereinfacht das Handling in der Bewirtschaftung. Sehr hilfreich war, dass Allthings die notwendige Unterstützung bei der Planung und Umsetzung flankierend zum Totalunternehmer anbietet; so können die entsprechenden Ausschreibungen von Anfang an auf ein nahtloses Zusammenspiel ausgerichtet werden. Die frequente Kommunikation zwischen pom+, Allthings, HRS und den Bauherren hat sich für CôtéGare als fruchtbar erwiesen.
Frau Moser und Herr Walther:
Können Sie quantifizieren, was eine planungs- und baubegleitende
Flankierung eines Bauprojektes aus der FM-Perspektive und aus digitaler Sicht finanziell bringt?
Moser: Pauschal gehen wir davon aus, dass rund 30% des Aufwands eingespart wird, wenn Systeme nahtlos miteinander vernetzt werden. Das ist nur möglich, wenn Interoperabilität in der Ausschreibung eine Anforderung ist. Der Gewinn schlägt sich dabei im Betrieb über 20–50 Jahre in echter Effizienz nieder, weil nicht bei jedem Mieterwechsel Stammdaten auf jedem System neu eingefügt oder gelöscht werden müssen. Mindestens so wichtig ist, dass sehr viel Ärger und Burn–out–Potenzial reduziert wird, wenn die Systeme bei der Inbetriebnahme und im Betrieb nahtlos miteinander funktionieren.
Walther: Die frühzeitige Berücksichtigung der betrieblichen Anforderungen stellt sicher, dass beispielsweise die räumliche Koordination, die Materialisierung und die technischen Anlagen optimal geplant und bestellt werden, damit sie über den gesamten Lebenszyklus möglichst kosteneffizient sind. Neben den konventionellen pbFM-Anforderungen sind zunehmend die zukunftsgerichteten Anforderungen eines durch Systeme unterstützten Gebäudebetriebs zentral. Je nach Zielsetzung sind Anforderungen auf Basis der Use Cases (Betriebsprozesse) abzuleiten, einzelne Gewerke entlang den Anforderungen zu koordinieren und sicherzustellen, dass eine hohe Interoperabilität zwischen den Systemen erzielt wird, um Effizienzgewinne zu erzielen.
Herr Simonot: Wie geht es nun weiter?
Simonot: Wir freuen uns auf die Einweihung des neuen Stadtteils im Jahr 2024. In CôtéGare werden wir den Mietern ein modernes Zuhause bieten, in dem sie einfach von der Digitalisierung profitieren. Der nächste wichtige Schritt ist die schrittweise Implementierung der Prozesse, auf die wir uns gut mit HRS, pom+ und Allthings vorbereitet haben.
Zur Person:
Brigitte Moser ist seit der Gründung bei Allthings. Heute führt sie die Teams, die Kunden dabei unterstützen, die Allthings-Orchestrierungsplattform kunden- und liegenschaftsgerecht einzusetzen: von Experten in Digitaler Transformation, die Implementierungs-Spezialisten und Customer Success Team. Sie ist gesamtverantwortlich für den Produktbereich aus Business-Sicht. Brigitte Moser hat ein Sinologiestudium absolviert, was ihr heute noch dabei hilft, Kundenanforderungen in passende Software zu übersetzen – und umgekehrt.
Zur Person:
Florent Simonot ist im Fachbereich Development & Construction Management bei Pensimo Management AG als Projektleiter / Bauherrenvertreter für die Westschweiz tätig. Er hat in Paris und Dresden ein Ingenieurstudium absolviert sowie eine Weiterbildung MAS UZH in Real Estate (CUREM) der Universität Zürich abgeschlossen. Er war 10 Jahre in Total- und Generalunternehmen als Gesamtprojektleiter tätig und spezialisierte sich auf die Steuerung verschiedener Phasen grosser Immobilienprojekte aus Eigentümersicht.
Zur Person:
Benjamin Walther ist Senior Consultant bei pom+ und leitet Projekte mit dem Schwerpunkt digital-unterstütztes Immobilienmanagement, Smart Buildings und Lifecycle Data Management (LCDM). Dabei entwickelt er Strategien und Konzepte über alle SIA Phasen hinweg und begleitet diese bis zur Implementierung in den Gebäuden bzw. innerhalb der dazugehörigen Organisationen. Neben 10 Jahren Projekterfahrung kombiniert er das Wissen aus seinem Studium der Immobilienwirtschaft an der ISBA Freiburg mit einem MAS Digital Business der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ).