Die angepassten Schweizer Gebäudelabels sind lanciert
Nach zwei Jahren Verhandlungen und einem Jahr inhaltlicher Arbeiten stehen sie ab sofort zur Verfügung: Die erneuerten und harmonisierten Schweizer Gebäude- und Arealstandards. Über 400 Teilnehmende wurden live in Bern von den EntwicklerInnen der neuen Standards über die Änderungen informiert. Am Podium mit den Präsidenten der involvierten Vereine und dem Vizedirektor des BFE wurde die bedeutende Rolle der Labels als Treiber für positive Veränderungen in der Schweizer Energie- und Klimapolitik diskutiert. Sie agieren als klare Wegweiser für Unternehmen, Nutzende und die Gesellschaft insgesamt, um gemeinsam den Weg zu einer klimafreundlichen Zukunft zu gestalten.
Der GEAK: Die Basis
Die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK) definiert im Rahmen der GEAK-Normierung die Methodik für die Bilanzierung von Energie, CO2 und Treibhausgasen für den Betrieb von Gebäuden. Diese wird anschliessend von Minergie und SNBS in allen Produkten übernommen. Neben den Skalen zur Gesamtenergie und Gebäudehüllenqualität wurde bereits 2022 eine Skalierung der CO2-Emissionen ergänzt, die im Einklang mit dem Schweizer Treibhausgasinventar steht. Im März 2023 wurde zusätzlich eine Methode für die Bilanzierung der vorgelagerten Emissionen (Elektrizitätsproduktion, Fernwärme) ergänzt, so dass nun die gesamten in der Betriebsphase verursachten Treibhausgasgasemissionen ausgewiesen werden können.
Die Minergie-Standards: Komfort, Effizienz und Klimaschutz
Die Gebäudestandards von Minergie fokussieren auf Komfort, Effizienz und Klimaschutz. Bei der Anpassung der Minergie-Standards stechen drei Massnahmen heraus:
1. Treibhausgasemissionen (THGE) in der Erstellung: Neu gelten für alle Neubauten im Minergie-Standard Grenzwerte für die durch die Erstellung verursachten THGE. Die Grenzwerte sind so definiert, dass zu deren Einhaltung in jedem Fall Optimierungen vorgenommen werden müssen, aber weiterhin an allen Standorten und Lagen gebaut werden kann. Zudem wird die Installation von Photovoltaik und Erdsonden-Wärmepumpen dank flexiblen Grenzwerten nicht behindert. In den nächsten Jahren werden die Grenzwerte sukzessive verschärft. Mit dem gleichzeitig optimierten vereinfachten Nachweis wird das Verständnis für die relevantesten Massnahmen zur Reduktion der THGE geschärft. Die Bilanzierung kann auch von (noch) nicht spezialisierten Architektur- und Planungsbüros mit sehr wenig Aufwand vorgenommen werden.
2. Hitzeschutz: Auch in der Schweiz überhitzen die Gebäude mit den wärmer werdenden Sommermonaten öfter und stärker. Bisher wurde anhand von Erfahrungswerten vergangener Jahrzehnte modelliert, wie oft das Innenraumklima den minimalen Gesundheits- und Komfortanforderungen nicht mehr genügen kann. Neu muss der Nachweis für den Sommerlichen Wärmeschutz bei Minergie anhand von Klimadaten erbracht werden, welche MeteoSchweiz für die nächsten Jahrzehnte errechnet hat. Wie bisher darf ein Minergie-Wohnbau dabei bei Standardnutzung nicht mehr als 100 Stunden pro Jahr Temperaturen von über 26.5°C aufweisen. Dies bedingt ein adäquates architektonisches Konzept kombiniert mit entsprechend optimierter Gebäudetechnik. Vermehrt wird im Sommer ein Teil der Eigenstromproduktion für die Temperierung (Freecooling) oder sogar Kühlung der Gebäude aufgewendet werden müssen.
3. Photovoltaik (PV): Neu wird durch eine objektspezifische Verschärfung der Minergie-Kennzahl sichergestellt, dass die belegbare Dachfläche bei allen Minergie-Gebäuden voll für die Eigenstromproduktion genutzt wird. Darunter wird verstanden, dass Dachaufbauten für Gebäudetechnik, Fenster, Lifte oder Terrassen weiterhin möglich sind, aber die verbleibende Fläche voll mit Modulen belegt wird. Bei Sanierungen sind die Möglichkeiten einer vollständigen Nutzung der Dachfläche eingeschränkter als im Neubau, was im Grenzwert berücksichtigt ist. Bei Gebäuden mit bis zu 4 Stockwerken wird mit dieser Anpassung eine Leistung von 20-40Wp/m2 EBF installiert, im Vergleich zu 10Wp/m2 gem. Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) 2014. Auf die Einführung einer minimalen Leistung der PV-Anlagen von 20Wp/m2 EBF und damit de facto einer Pflicht zu Fassadenanlagen bei hohen Gebäuden wird aufgrund der aktuellen Unsicherheiten beim Brandschutznachweis von Fassadenanlagen vorerst verzichtet. Nach Vorliegen einer von der Branche breit getragenen Lösung wird diese Anforderung eingeführt werden.
Ausserdem wird die Anforderung an die Gebäudehülle (bei Minergie- und Minergie-A-Bauten) erhöht. Ebenso müssen zur Erfüllung der Minergie-Kennzahl bspw. effizientere Geräte und Beleuchtung (in Zweckbauten) eingesetzt werden – für einen möglichst effizienten und fossilfreien Betrieb. Zur Sicherstellung eines optimalen Betriebs wird die Monitoring-Pflicht auf Gebäude ab 1’000 m2 EBF ausgeweitet. Zudem sind Minergie-Gebäude für die Elektromobilität bereit (und überwiegend mit Strom ausgerüstet).
Für alle Anpassungen gilt eine Übergangsfrist von 12 Monaten. Mehr Informationen zu den Anpassungen an den Minergie-Gebäudestandards stehen im entsprechenden Faktenblatt Minergie-Standards oder im Detail im Produktreglement Minergie-Gebäudestandards 2023.1.
Der Zusatz ECO: Das Plus für Ökologie und Gesundheit
Die Minergie Baustandards werden mit dem Zusatz ECO um eine besonders gesunde, kreislauffähige und klimafreundliche Bauweise ergänzt. Der erneuerte ECO-Zusatz besticht mit klarer Struktur, vereinfachtem Bewertungssystem und bringt die aktuellen Themen in das Label.
Neu wurde das Thema «Klimaschutz und Ressourcen» mit 8 Vorgaben gestärkt, davon 2 neue zu «Restwert rückzubauender Bestandsbauten» und zum «Einsatz lokaler Ressourcen». Die Grenzwerte für Graue Energie und Treibhausgase wurden angepasst. Im Thema «Gebäudekonzept und Kreislaufwirtschaft» steht weiterhin die Nutzungsflexibilität und Wiederverwendung bzw. Wiederaufbereitung im Zentrum. Der Bereich «Gesundheit» wurde gekürzt, vereinfacht und im Bereich Baumaterialien verständlicher formuliert. Neu sind die Innovationsvorgaben in den Bereichen Gesundheit und Ökologie.
Dank des neuen Bewertungssystems und der gemeinsamen Abwicklung mit dem Minergie-Nachweis auf der Label-Plattform vereinfacht sich die Nachweisführung und Zertifizierung. Die Kombination der strengeren Minergie-Baustandards mit dem neuen ECO-Zusatz bietet Bauherrschaften ein Label, das sie auf dem Weg in das zukunftsfähige Bauen unterstützt und die Qualität sicherstellt.
Für die Anpassung gilt eine Übergangsfrist von 12 Monaten. Mehr Informationen zu den Anpassungen am Zusatz ECO stehen im entsprechenden Faktenblatt Zusatz ECO oder im Detail im Produktreglement, Zusatz ECO 2023.1.
Der SNBS-Hochbau: Umfassend nachhaltig
Mit dem SNBS-Hochbau werden Gebäude in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit (Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt) geprüft und zertifiziert. Mit der aktuellen Anpassung wird die Anzahl Kriterien und Messgrössen um rund ein Viertel auf 35 Kriterien resp. 98 Messgrössen reduziert. Dies vor allem durch Weglassen, was in Normen und rechtlichen Grundlagen bereits ausreichend geregelt ist.
Verschärft und ergänzt werden hingegen die Anforderungen für klimaangepasstes und CO2-armes Bauen. So wird bspw. das Denken in Kreisläufen geschärft, die Wiederverwendung von Bauteilen geregelt oder der Einbezug rückzubauender Gebäudeteile in die Bewertung der Treibhausgasemissionen von Neubauten integriert.
Ein weiteres neues Thema ist das Mikroklima, also die Begrünung von Aussenräumen, Beschattung von Aufenthaltsbereichen oder Gestaltung von Eigenschaften von Oberflächen im Aussenraum.
Für die Anpassung gilt eine Übergangsfrist von 12 Monaten. Mehr Informationen zu den Anpassungen am SNBS-Hochbau stehen im entsprechenden Faktenblatt SNBS-Hochbau oder im Detail im Kriterienbeschrieb SNBS-Hochbau 2023.1.
Das SNBS-Areal: Für Nachhaltigkeit auf Arealebene
Neu können die bekannten Qualitäten des SNBS-Hochbau auch auf Ebene Areal zertifiziert werden. Es wurden 22 Schlüsselkriterien vom SNBS-Hochbau auf das Areal übertragen und 8 neue Kriterien entwickelt. Es handelt sich dabei um Aspekte, deren Thematisierung sich bei Einzelgebäuden oft nicht lohnen, aber in Arealen entscheidend zu deren Nachhaltigkeit beitragen. Dazu gehören beispielsweise die Governance des Areals, Anforderungen an die Entwicklungsphase oder die Einbindung des Areals ins Umfeld. Im Areal sind Kompensationen bei Treibhausgasen, Energie, Mobilität und Bodennutzung möglich. Die Themen ESG und EU-Taxonomie werden im Kriterienbeschrieb ebenfalls adressiert. Zertifizierbar sind sämtliche Nutzungen auf einem Areal.
Mehr Informationen zum neuen SNBS-Areal stehen im entsprechenden Faktenblatt SNBS-Areal oder im Detail im Kriterienbeschrieb SNBS-Areal 2023.1. Projekte können ab sofort geplant und ab November 2023 eingereicht werden.
Das Minergie-Areal: Klimaschutz im Areal
Minergie-Areale orientieren sich an denselben Zielen wie die Minergie-Baustandards, umfassen aber auch arealspezifische Anforderungen. Die einzelnen Gebäude sind mehrheitlich nach Minergie zu zertifizieren und erfüllen so neben höchsten Anforderungen an Energie- und Treibhausgasemissionen überdurchschnittliche Anforderungen an den Hitzeschutz und die Raumluftqualität. Neu bei Minergie sind die Vorgaben ans Arealmanagement, die klimaangepasste Gestaltung des Aussenraums und Anreize zu einer klimafreundlichen Mobilität. Damit soll auf Minergie-Arealen eine besonders hohe Lebensqualität sichergestellt werden.
Mehr Informationen zum neuen Minergie-Areal stehen im entsprechenden Faktenblatt Minergie-Areal oder im Detail im Produktreglement Minergie-Areal 2023.1. Projekte können ab sofort geplant und ab November 2023 eingereicht werden.
Ablösung der 2000-Watt-Areale
Mit der Einführung des SNBS-Areal und des Minergie-Areal wird das bisher durch das Bundesamt für Energie geführte 2000-Watt-Areal abgelöst. Bestehende Areale «in Entwicklung» oder «in Transformation» finden in einem der neuen Areal-Labels eine gleichwertige Anschlusslösung. Für den Übergang ist gegenüber der Neuzertifizierung ein erleichtertes Verfahren vorgesehen.