Die nachhaltige Güterversorgung von morgen
Mit Cargo Sous Terrain (CST) wird der Schweizer Güterverkehr in unterirdische Tunnels verlegt, und die Strassen werden vom Schwerverkehr entlastet. Damit lässt sich der CO2 - Ausstoss deutlich reduzieren. Zudem wird das innovative System zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben.
Spätestens seit Corona boomt der Online-Handel. Landesweit entstehen immer mehr riesige Warenumschlagshallen. Bislang werden die bestellten Güter und Waren via Strassen und Schienen zu ihren Endabnehmern transportiert. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) und das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) schätzen, dass das Güterverkehrsaufkommen in der Schweiz bis 2050 um rund 31 Prozent zunehmen wird. Die genannten gängigen Wege des Güterverkehrs können aber nicht unlimitiert ausgebaut werden.
Neue Verkehrslösungen wurden gesucht – und mit Cargo Sous Terrain (CST) gefunden: Bis 2045 entsteht zwischen Boden- und Genfersee mit Ausläufern nach Basel, Luzern und Thun, ein 500 Kilometer umfassendes Netz durch dreispurige Tunnels mit jeweils 6 Metern Durchmesser in 20 bis 100 Metern Tiefe. Diese werden mit oberirdisch angelegten Be- und Entladestationen, Hubs genannt, erschlossen. In den Hubs werden die autonom fahrenden, unbemannten Fahrzeuge über senkrechte Lifte voll automatisiert be- und entladen.
Die futuristisch aussehenden Wagen verkehren mit konstant 30 Stundenkilometern auf Induktionsschienen rund um die Uhr. Sie fassen Güter in Palettgrösse. Auch der Transport von Frisch- und Kühlwaren ist möglich. Das System sortiert und bündelt die Waren bereits im Tunnel, sodass die spätere Belieferung von Verkaufsstellen und Endabnehmern koordiniert stattfindet.
An den Hubs werden die ausgelieferten Güter laufend von bemannten Fahrzeugen, die ausschliesslich mit erneuerbarer Energie betrieben werden, aufgenommen und ausgeliefert. «Möglich ist, dass wir eine eigene Flotte aus energiebetriebenen Fahrzeugen stellen oder auch mit entsprechenden Logistikpartnern zusammenarbeiten», sagt Patrik Aellig, Kommunikationsbeauftragter CST. Die Entsorgung von Abfall und Recyclingstoffen ist ebenfalls fester Bestandteil des Konzepts. Aellig führt aus: «Güterbewegungen finden in erster Linie von den Logistikzentren zu den Städten statt. Das System läuft aber natürlich in beide Richtungen und ist prädestiniert, um Abfall- und Recyclingstoffe oder auch Bauabfälle aufzunehmen und aus den Städten hinaus zu transportieren.» Ein Fahrzeug kann bis zu zwei Paletten oder Boxen und Behälter dieser Dimension aufnehmen.
CST reduziert Lärmemission um 50 Prozent und ermöglicht den Transport von Kleimengen
Die Vorteile eines solchen unterirdischen Netzes liegen auf der Hand: Die Nationalstrassen werden um bis zu 40 Prozent vom Schwerverkehr entlastet, die Städte um ca. 30 Prozent. Gleichzeitig sinken die Lärmemissionen – in den Städten um rund 50 Prozent. Auch der CO2-Ausstoss kann deutlich reduziert werden: Die Ökobilanz ist um bis zu 80 Prozent besser gegenüber den heutigen Transportsystemen, da CST zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben wird.
Die erste Etappe soll 2031 betriebsbereit sein und umfasst die 70 Kilometer lange Strecke von Härkingen-Niederbipp zum Flughafen Zürich mit 10 Hubs. Die Hubs werden in existierenden Logistikzentren angesiedelt und stellen die Anbindung an sämtliche Verkehrssysteme sicher (Schiene, Strasse, Wasser, Luftfracht). Das Gesamtverkehrsnetz soll 2045 fertiggestellt sein. Zum ausgeklügelten System gehört eine innovative Software, die eine intelligente Steuerung ermöglicht. Die IT hinter CST sowie der automatische Verlad und Transport der Güter bilden den Kern dieses Systems. Die Software ist Stand heute noch nicht entwickelt. Aber: «Das IT-Team steht – der erste Schritt umfasst die Entwicklung der sehr umfangreichen IT-Plattform», erklärt Aellig. CST richtet sich mit seiner massgeschneiderten Technologie an die Smart Citys der Zukunft und übernimmt auch die Feinverteilung der Waren. Zudem ermöglicht CST der Wirtschaft erstmals, Kleinmengen in Einzelpaletten oder Behältern zu transportieren. Damit fällt die Zwischenlagerung kleinteiliger Güter weg.
Die Gesamtkosten belaufen sich auf über 30 Milliarden Schweizer Franken. CST ist in privater Hand und hat seinen Sitz in Olten. Zu den 83 Aktionären, Investoren und Projektpartnern gehören bekannte Schweizer Namen wie die Versicherungsfirma Vaudoise, SAP, Siemens, die Schweizerische Post, Coop, Migros, die Mobiliar oder die Zürcher Kantonalbank, Credit Suisse sowie Swisscom. Dazu zählen zahlreiche Logistik-, Energie- und Baufirmen, Ingenieurbüros und Velokurierdienste oder auch das High-Tech-Start-up Hyperloop One aus Kalifornien (USA). Die entstehende Infrastruktur steht allen Marktteilnehmern zur Verfügung. CST wird im engen Austausch mit Behörden, Bund und Kantonen entwickelt. Der Bund beteiligt sich nicht an den Kosten.
Die geplante, weitgehend unterirdische Gütertransportanlage über Kantonsgrenzen hinweg ist dank dem im Dezember 2021 von National- und Ständerat beschlossenen Bundesgesetz über den unterirdischen Gütertransport (UGüTG) möglich. CST wird in mehreren parallel laufenden Teilprojekten vorangetrieben. Die Kantone werden die genauen Standorte und Streckenführungen der Hubs und Tunnels mit fortschreitender Planung in ihre Richtpläne aufnehmen. Die Richtplanverfahren beginnen im Lauf des Jahres 2023 in den Kantonen Aargau, Solothurn und Zürich. Das Vorprojekt soll im Laufe des kommenden Jahres stehen. «Danach werden die Ausschreibungen für die Bauvergabe des unterirdischen Netzes vorbereitet», sagt Aellig. Der Baustart ist 2026 geplant.