Einschätzung des Zinsmarktes im März von Avobis
Der März war ein ereignisreicher Monat voller Überraschungen. Die Inflationszahlen für Februar und der darauffolgende abrupte Vertrauensschwund im Bankensektor – mit besonderem Fokus auf die Credit Suisse – haben die Schweizer Marktzinsen auf eine turbulente Reise geschickt. Die SNB reagierte jedoch stoisch und trennte beide Themen, indem sie um 50 Bps erhöhte und an ihrem geldpolitischen Kurs festhält.
Die Befürchtungen bezüglich einer ausufernden Inflationsdynamik scheinen sich zu bestätigen. Im Februar verzeichneten fast alle neun LIK-Segmente Preissteigerungen im Vergleich zum Vormonat. Dies ist auf die zunehmenden Preise für Dienstleistungen und Güter unabhängig ihrer Herkunft zurückzuführen (Abbildung 1). Eine Entspannung der Teuerung ist derzeit nicht absehbar und mit der im Juni erwarteten ersten Anpassung des hypothekarischen Referenzzinssatzes dürfte sich die Inflation weiter vom SNB-Ziel entfernen. Der Markt passte daraufhin seine Zins- und Inflationserwartungen deutlich nach oben an, wie an der stark invertierten Zinskurve erkennbar ist.
Die Probleme bei der Silicon Valley Bank und später bei der Credit Suisse führten jedoch zu Befürchtungen einer möglichen Bankenkrise, wodurch die Inflationsproblematik in den Hintergrund geriet. Die Sorge, dass weitere Zinsschritte der Notenbanken einen Systemkollaps im Bankensektor verursachen könnten, führte auch am Schweizer Zinsmarkt zu einem Umdenken, wodurch die Marktzinsen stark nach unten korrigierten. Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und die globale Liquiditätsinjektion ins Bankensystem milderten danach teilweise die Ängste. Letztlich sorgte der geldpolitische Entscheid der SNB am 23. März und dessen Signal für eine gewisse Ernüchterung an den Märkten, worauf der Fokus wieder auf der Inflationsproblematik lag und dadurch wieder höhere Zinsschritte eingepreist wurden.
Obwohl die Swap-Kurve zum Monatsende in etwa gleich verläuft wie zu Monatsbeginn, hat sich die Ausgangssituation merklich verändert, was insbesondere an den höheren erwarteten Zinsvolatilitäten zum Monatsende im Vergleich zum Monatsbeginn deutlich wird.
Die Auswirkungen der Bankenturbulenz auf das Wirtschaftswachstum sind ungewiss. Ein Rückgang der Nachfrage könnte den Inflationsdruck dämpfen. Ebenso unklar sind die Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen, da Banken möglicherweise vorsichtiger und zurückhaltender bei der Kreditvergabe agieren werden. Dies käme einer Zinserhöhung im Kampf gegen die Inflation ähnlich. Diese Effekte müssen nun beobachtet und entsprechend bewertet werden, weshalb die Swap-Kurve trotz entkoppelter Inflation nur noch moderate Zinsschritte für die nächsten beiden Sitzungen impliziert.
Unsere Erwartungen
Die Inflation in der Schweiz ist von den üblichen Verhältnissen entkoppelt. Der Schweizer Franken als geldpolitisches Instrument zur Bekämpfung der importierten Inflation ist im Kampf gegen die wachsende Inlandsinflation nur begrenzt wirksam. Es sind deshalb zusätzliche restriktive Massnahmen notwendig. Sollte sich das globale Finanzsystem weiterhin als robust erweisen, könnte in der nächsten Sitzung eine weitere Erhöhung um 50 Bps erfolgen. Sollten jedoch weitere Systemrisiken auftreten, könnten ein geringerer Zinsschritt oder sogar eine Zinspause in Betracht gezogen werden. Es ist entscheidend, die Situation sorgfältig zu überwachen und verschiedene Szenarien umfassend zu evaluieren.
Ausland
Die wachsende Besorgnis über eine mögliche Bankenkrise infolge des Zu sammenbruchs dreier regionaler Banken in den USA hat die Notenbanken dazu veranlasst, mit Liquiditätsspritzen zu reagieren. Dennoch deutet eine aktuelle Studie darauf hin, dass das US-Bankensystem unrealisierte Verluste von zwei Billionen USD verzeichnet, was die Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen stark in Frage stellt. Während sich die Inflation trotz des unerwarteten, schnellen Anstiegs der Zinsen unbeeindruckt zeigt, werden im Bankensystem somit erste Risse sichtbar.
Die gestiegenen Zinsen seit letztem Jahr führten zu beträchtlichen Wertverlusten bei hypothekarisch besicherten Anleihen und anderen nahezu risikolosen Anleihen, die einen Grossteil der Aktivseite von Banken ausmachen. Eine Studie zeigt, dass der Marktwert der Vermögenswerte des US-Bankensystems um zwei Billionen USD niedriger ist als der binanzielle Wert. Zusammen mit einem hohen Anteil unversicherter Einlagen bei einigen US-Banken könnten Verlustrealisierungen deren Stabilität gefährden. Sollten die Hälfte der unversicherten Einleger Gelder abheben, wären bei-
nahe 190 Banken einem potenziellen Risiko ausgesetzt. Dies würde auch versicherte Einleger treffen, wobei möglicherweise 300 Milliarden USD an versicherten Einlagen gefährdet wären.
Obwohl das Bankensystem derzeit solide ist, könnte es im Falle eines Bank Runs an Liquidität mangeln, was zu einem Kaskadeneffekt bei der Verlustrealisierung führen und letztendlich die Solvenz gefährden würde. Dies könnte sowohl amerikanische als auch andere Banken einer drohenden Liquiditätskrise aussetzen. Daher ergreifen die Fed, die EZB und andere Zentralbanken koordinierte Massnahmen zur Stärkung der Liquidität.
Der Markt preist aufgrund von Befürchtungen möglicher Systemrisiken bereits Zinssenkungen für die Fed und nur noch geringe Zinsschritte für die EZB ein (Abbildung 5 und 6). Die Gründe dafür sind einerseits die restriktive Wirkung der Liquiditätsproblematik auf die Kreditvergabe und andererseits die Verschärfung der Liquiditätsproblematik oder sogar das Entstehen von Systemrisiken in anderen Bereichen durch eine anhaltende restriktive Geldpolitik. Beides würde zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums und damit zu einer inflationsdämpfenden Wirkung führen. So sind die marktimplizierten Inflationserwartungen trotz weiterhin hohen Inflationszahlen und sinkenden Zinserwartungen nicht gestiegen.
Unsere Erwartungen
Die aktuelle Situation im Bankensektor scheint sich zunächst beruhigt zu haben, doch besteht weiterhin das Risiko, dass der rasante Zinsanstieg seit dem letzten Jahr neben dem Bankensektor auch andere Bereiche des Finanzsystems belasten könnte. Daher schliessen wir weitere Zinserhöhungen vorerst aus. Gleichzeitig halten wir aber auch Zinsreduktionen für unwahrscheinlich. Die Inflation ist weiterhin zu hoch und muss mit einer restriktiven Geldpolitik bekämpft werden. Zudem verfügen die Notenbanken neben dem Leitzins über ein breites Instrumentarium, um Probleme wie beispielsweise die Liquiditätsschwierigkeiten zu bewältigen. Aus diesen Gründen gehen wir davon aus, dass die Fed in der nächsten Sitzung eine Zinspause einlegen und in den kommenden Monaten die Situation rund um die Banken und die Inflationsentwicklung genau beobachten wird. Für die EZB hingegen erwarten wir aufgrund der verheerenden Inflationsentwicklung einen Zinsschritt um mindestens 25 Bps.