Expertengruppe ignoriert Volksentscheid und Verfassungsauftrag
Eine Expertengruppe schlägt Sparmassnahmen beim Fonds de Roulement für gemeinnützige Wohnbauträger vor, um den Bundeshaushalt zu entlasten. Dieser Vorschlag stösst auf heftige Kritik, da er sowohl einem kürzlich gefällten Volksentscheid als auch dem Verfassungsauftrag zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus widerspricht.
Um den Bundeshaushalt zu entlasten, hat eine vom Bundesrat beauftragte Expertengruppe eine Reihe von Sparmassnahmen geprüft. Ein besonders umstrittener Punkt, die Streichung weiterer Einlagen in den Fonds de Roulement. Dieser Fonds bietet gemeinnützigen Wohnbauträgern zinsgünstige Darlehen zur Schaffung und Erneuerung von Wohnraum, und spielt somit eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Wohnraumknappheit in der Schweiz.
Dieser Vorschlag steht in direktem Widerspruch zu dem 2020 getroffenen Volksentscheid, bei dem sich die Schweizer Bevölkerung für einen Rahmenkredit von 250 Millionen Franken bis 2029 ausgesprochen hatte, um den Fonds zu stärken. Der Vorschlag, nun bei der Wohnraumförderung zu sparen, hat eine Welle der Empörung ausgelöst.
Missachtung des Volksentscheids und der Wohnungsnot
Für Eva Herzog, Ständerätin und Präsidentin des Verbands Wohnbaugenossenschaften Schweiz, ist dieser Sparvorschlag schlichtweg inakzeptabel: «Dieser Vorschlag missachtet die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt und den Aktionsplan Wohnungsknappheit, der die Stärkung der Wohnraumförderung vorsieht. Und er widerspricht einem klaren Volksentscheid.» Tatsächlich hatte die Bevölkerung die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» abgelehnt, jedoch den indirekten Gegenvorschlag unterstützt, der den Fonds de Roulement als zentrales Instrument zur Förderung bezahlbaren Wohnraums stärkte.
Sollte der Bund den Vorschlag der Expertengruppe umsetzen, so würde er sich in den Augen vieler Kritiker gegen den Willen des Volkes stellen. «Das wäre ein Bruch der Abmachung und ein Verstoss gegen Treu und Glauben», warnt Herzog.
Der Verfassungsauftrag zur Wohnraumförderung
Neben der Missachtung des Volksentscheids stösst der Sparvorschlag auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Artikel 108 der Bundesverfassung verpflichtet den Bund dazu, den gemeinnützigen Wohnungsbau aktiv zu fördern. Die Expertengruppe argumentiert jedoch, dass diese Förderung primär von Kantonen und Städten übernommen werden sollte. Ein Standpunkt, der von vielen als unvereinbar mit der aktuellen Wohnungsnot in zahlreichen Schweizer Städten angesehen wird.
«Der Bund kann sich hier nicht aus der Verantwortung ziehen – schon gar nicht in der aktuellen Situation, wo vielerorts akute Wohnungsnot herrscht», betont Eva Herzog. Die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus sei eine nationale Aufgabe, die nicht allein auf die Schultern der Kantone abgewälzt werden dürfe.
Wachsende Wohnraumknappheit und die Rolle des Fonds de Roulement
Die Wohnraumknappheit in der Schweiz ist zu einem der drängendsten Probleme der letzten Jahre geworden. Besonders in den urbanen Zentren nimmt der Druck auf den Wohnungsmarkt stetig zu. Der Fonds de Roulement bietet dabei eine wichtige Unterstützung, um der Knappheit entgegenzuwirken. Er ermöglicht es gemeinnützigen Wohnbauträgern, durch zinsgünstige Darlehen neuen Wohnraum zu schaffen, bestehende Bauten zu erneuern und Land zu erwerben.
«Das Streichen dieser Unterstützung würde nicht nur den Bau neuer Wohnungen verzögern, sondern auch die Erneuerung bestehender Bausubstanz gefährden», warnt Herzog. Der Fonds sei ein unverzichtbares Instrument zur Sicherstellung eines sozialverträglichen und nachhaltigen Wohnungsbaus, der dringend benötigt werde.
Kritik an den vorgeschlagenen Einsparungen
Die vorgeschlagenen Einsparungen stossen in vielen Teilen der Gesellschaft auf Ablehnung. Wohnbaugenossenschaften und andere gemeinnützige Wohnbauträger warnen vor den langfristigen Folgen, die ein solcher Sparvorschlag mit sich bringen würde. Der Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz fordert daher den Bundesrat auf, die Sparmassnahme in der Wohnraumförderung nicht umzusetzen.
«Es ist entscheidend, dass der Bund seine Verantwortung anerkennt und die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus nicht den Kantonen und Städten alleine überlässt», so Herzog weiter. Die Verabschiedung des Sparvorschlags würde die ohnehin schon angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärfen und insbesondere jene treffen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind.
Ein umstrittener Sparvorschlag mit weitreichenden Konsequenzen
Der Vorschlag der Expertengruppe, bei der Wohnraumförderung zu sparen, sorgt für kontroverse Diskussionen. Er widerspricht nicht nur dem Volksentscheid von 2020, sondern auch dem verfassungsmässigen Auftrag des Bundes zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus. In einer Zeit zunehmender Wohnraumknappheit wäre es ein riskantes Signal, die Unterstützung für bezahlbaren Wohnraum zu kürzen. Die Kritik an diesem Vorschlag ist laut – und die Forderung, den Sparvorschlag nicht umzusetzen, wächst.