Gebäude als Kohlenstoffsenken

Oktober 2024

Die Bauwirtschaft steht vor einer Revolution. Gebäude könnten künftig nicht nur CO2-neutral, sondern sogar CO2-negativ sein. Die Empa-Initiative «Mining the Atmosphere» verfolgt genau dieses Ziel. In der NEST-Unit «Beyond Zero» werden innovative Materialien getestet, die CO2 dauerhaft binden können. Im Gespräch erläutern Nathalie Casas (Empa), Corinne Reimann (Implenia) und Christoph Kellenberger (OOS), wie diese Technologien das Bauwesen transformieren können.

Die Bauwirtschaft gilt als einer der grössten CO2-Emittenten weltweit. Doch mit Projekten wie «Beyond Zero» und der Initiative «Mining the Atmosphere» könnte sich das Blatt wenden. Ziel ist es, das schädliche Treibhausgas nicht nur zu reduzieren, sondern es aktiv in Baumaterialien zu binden. Diese Materialien, die in der neuen NEST-Unit getestet werden, könnten Beton und Dämmstoffe revolutionieren und das Potenzial haben, die Bauwirtschaft klimaneutral oder sogar CO2-negativ zu gestalten.

Technologie im Praxistest
Nathalie Casas von der Empa erklärt, dass «negative emissions technologies» (NET) der Schlüssel zur Erreichung der Klimaziele sind: «Wir müssen überschüssiges CO2 aus der Atmosphäre holen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Dabei helfen uns NET, die bereits im Labor funktionieren und nun im Bauwesen angewendet werden.» Casas betont die Dringlichkeit des Handelns, da die Emissionen weiterhin steigen.

Nachhaltigkeit in der Baubranche
Corinne Reimann von Implenia sieht in NET eine grosse Chance für die Bauwirtschaft: «Die neuen Materialien ermöglichen es uns, endlich entscheidende Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit zu machen. Die Branche hat hier einen enormen Hebel, aber auch Herausforderungen. Preis und Akzeptanz werden entscheidend sein.» Reimann betont, dass die Funktionalität und Wirtschaftlichkeit neuer Materialien sichergestellt werden muss, um einen breiten Einsatz zu ermöglichen.

Der Beitrag von Architekten und Planern
Christoph Kellenberger, Mitgründer von OOS, sieht in der frühzeitigen Einbindung von Architekten und Planern einen entscheidenden Faktor: «Wir können mit unserem Wissen die richtigen Baustoffe von Anfang an mitentwickeln und in die Baupraxis integrieren. Zudem müssen wir das Potenzial von CO2-speichernden Materialien in die Branche hineintragen und zeigen, welche Effekte damit erzielt werden können.» Für Kellenberger liegt der Schlüssel zum Erfolg in einer transparenten Wissensvermittlung und praxisnahen Lösungen.

Politische Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Verantwortung
Neben der technologischen Innovation fordert die Bauwirtschaft auch politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Laut Casas und Kellenberger ist eine klare Kostenwahrheit notwendig, um den breiten Einsatz von NET zu fördern. CO2-Emissionen müssen fair bepreist werden, und Subventionen könnten helfen, die anfänglichen höheren Kosten der neuen Materialien auszugleichen. «Die Transformation wird nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft», so Casas.

Das Projekt «Beyond Zero» zeigt, dass es möglich ist, Gebäude zu Kohlenstoffsenken zu machen. Doch dafür braucht es nicht nur technologische Lösungen, sondern auch den Willen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, neue Wege zu gehen. Die Baubranche hat die Chance, sich von einem der grössten CO2-Emittenten zu einem Vorreiter der Klimawende zu entwickeln – und das Potenzial dazu ist bereits heute vorhanden.

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