Kooperative Planungsprozesse für mehr bezahlbaren Wohnraum im Berggebiet
Bezahlbarer Wohnraum ist mittlerweile auch in den Berggebieten keine Selbstverständlichkeit mehr. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen kooperative Planungsprozesse mit Privateigentümern einen Beitrag leisten können.
Die Sorge um bezahlbaren Wohnraum ist spätestens mit Corona von den Ballungszentren in die Berggebiete geschwappt: die ungebrochene Nachfrage nach Zweitwohnungen, die vom Raumplanungsgesetz gewollte Verknappung von Bauland und die durch das Zweitwohnungsgesetz angefeuerte Preisspirale im altrechtlichen Bestand tragen dazu bei, dass bezahlbare Wohnungen für Fachkräfte und Familien knapper werden und die Wohnmobilität abnimmt.
Vor dem Hintergrund steigender Bau- und Finanzierungskosten stellt sich die Frage, ob die Bereitstellung bezahlbarer (Miet-) Wohnungen im alpinen Raum mit kooperativen Planungsprozessen ermutigt werden kann. Dazu müssen Dialogverfahren, die sich im Unterland in Grossprojekten mit professionellen Entwicklern und institutionellen Investoren bewährt haben, auf kleinere Projekte von Privateigentümern ausgerichtet werden.
Die erste Voraussetzung für einen erfolgreichen Eigentümerdialog ist, dass Gemeindevorstände klären, wo sie stehen, und was sie wollen: Es braucht einen möglichst breiten politischen Konsens darüber, was die Gemeinde als Wohnstandort auszeichnet, welche Zielgruppen sie ansprechen will, was die Gemeinde diesen Zielgruppen bieten kann und wie das Wohnungsangebot ergänzt werden soll.
Die zweite Voraussetzung ist, dass Gemeindevorstände Grundeigentümern vermitteln, welche planrechtlichen Weichenstellungen kurz-, mittel- und langfristige anstehen, und wie sich Handlungsmöglichkeiten verändern. Ziel ist nicht, bauwilligen Grundeigentümern eine Richtung vorzuschreiben, sondern mit möglichst vielen Eigentümern abzuklären, wer unter welchen Bedingungen bereit wäre, Bauland- und Planungsreserven zu aktivieren oder in den Wohnungsbau zu investieren.
Eine grosse Herausforderung ist dabei die Vermittlung der komplexen und für Laien kaum nachvollziehbaren planerischen und planrechtlichen Auflagen und Prozesse, und die emotional an-spruchsvolle und ordnungspolitisch kontroverse Debatte um Auszonungen und Markteingriffe.
Eine weitere Herausforderung ist die soziale Kleinräumigkeit in vielen Berggemeinden: Vorstände und Eigentümer kennen sich, es gibt Vorgeschichten. Gerade in kleineren Gemeinden können schriftliche Befragungen oder gemeinsame Informations- und Diskussionsveranstaltungen mit Nachbargemeinden Missverständnisse und Misstrauen etwas entschärfen.
Schliesslich müssen Gemeinden Wege finden, Zweitwohnungsbesitzer besser zu verstehen und einzubinden. Obwohl die Beziehungen vielerorts vorbelastet sind, zeigen Befragungen und Fo-kusgruppen, dass rund ein Drittel der Zweitwohnungsbesitzer aus dem In- und Ausland bereit wären, einen Beitrag an die Wohnraumversorgung für Einheimische und Fachkräfte zu leisten.
Bedingung ist, dass Gemeinden Zweitwohnungsbesitzer auf Augenhöhe einbinden, investitionsreife Projekte vor-bereiten und mit ins Risiko gehen. Informationsanlässe zur Gemeindeentwicklung und ein regelmässiger Austausch mit interessierten (auch nicht-organisierten) Zweitwohnungsbesitzern helfen, Beziehungen aufzubauen und Vertrauen zu schaffen.
Die dritte Voraussetzung für einen erfolgreichen Eigentümerdialog ist, dass alle beteiligten Akteure bereit sind, Kompromisse einzugehen, um bezahlbaren und bedürfnisgerechten Wohnraum für Einheimische und Zuzüger zu schaffen. Das zeigt sich beispielhaft an der Umnutzung von Bestandsbauten in geschützten Ortsbildern, bei der es Goodwill und Pragmatismus braucht, um Zielkonflikte zu entschärfen und tragbare Lösungen zu finden.
Kooperative Planungsprozesse verlaufen selten geräuschlos: sie erfordern eine gute Vorbereitung, politisches Kapital und Dialogbereitschaft. Sie schaffen keine Planungssicherheit. Ein klarer Fokus und ein starkes Bekenntnis zur gemeinsamen Lösungsfindung erhöhen aber die Chancen, dass private Eigentümer einen Beitrag an die Bereitstellung von bezahlbaren Wohnungen in Berggebieten leisten können.