«Mit der Steuergesetzrevision bleiben wir ein attraktiver Wirtschaftsstandort.»
Der Luzerner Regierungsrat und Finanzdirektor Reto Wyss erklärt im Interview die Vorteile des Luzerner Sondermodells bei der Wirtschaftsförderung und welche Massnahmen der Kanton in Sachen Nachhaltigkeit und Digitalisierung trifft.
Sie sind seit 2011 als Regierungsrat tätig und kandidieren im April für eine vierte Amtszeit. Was gefällt Ihnen an Ihrem aktuellen Amt als Finanzdirektor des Kantons Luzern?
Auch nach 12 Jahren empfinde ich es als Privileg, Regierungsrat im Kanton Luzern sein zu dürfen. Für mich ist das eine spannende, vielseitige und herausfordernde Aufgabe. Als Finanzdirektor kümmere ich mich neben den Finanzen um die Informatik, Immobilien und das Personal. Diese Querschnittsfunktionen und die daraus resultierenden Verantwortlichkeiten bereiten mir Freude. Unser Departement darf die Ressourcen zur Verfügung stellen, die die anderen Departemente benötigen, um die entsprechenden Dienstleistungen an der Bevölkerung zu erbringen.
Wo sehen Sie derzeit die grössten Herausforderungen?
Bei übergeordneter Betrachtung gehören nebst der Gesundheitsversorgung die Mobilität und Nachhaltigkeit dazu. Innerhalb des Finanzdepartements haben wir mehrere interessante Immobilienprojekte, die wir vorantreiben dürfen – beispielsweise den Ausbau des Campus Horw. Mit einem Budget von 365 Millionen Franken ist dies das bislang grösste Projekt des Kantons Luzern. Zudem haben wir gerade das Baugesuch für die kantonale Verwaltung am Seetalplatz in Emmen aufgelegt. In diesem Neubau für rund 175 Millionen Franken wollen wir die Verwaltung bündeln. Zu den anspruchsvollen Aufgaben gehört die laufende Suche nach einem Standort in der Stadt Luzern für das Luzerner Museum sowie für das Kantonsgericht. Da wir für beide einige Tausend Quadratmeter Platz benötigen, gestaltet sich das Vorhaben nicht ganz einfach.
Sie arbeiten momentan an der Steuergesetzrevision 2025. Finden dabei die weltweiten Unsicherheiten wie die Klimaproblematik oder der Krieg in der Ukraine Beachtung?
Im Kanton Luzern registrieren wir eine sehr positive Entwicklung. Die Steuergesetzreform soll die Voraussetzungen schaffen, damit der Kanton Luzern auch weiterhin ein attraktiver Standort für natürliche und juristische Personen bleibt und sich optimal weiterentwickeln kann. Im Jahr 2000 hatten wir noch 2,5 Milliarden Franken Schulden – heute verfügen wir über ein Nettovermögen von mehr als 300 Millionen Franken. Dies ist uns dank einer ambitionierten und anspruchsvollen Steuer- und Finanzpolitik gelungen. Im Parlament haben wir einen Klima- und Energiebericht besprochen und setzen die entsprechenden Massnahmen um. Die Situation in der Ukraine wirkt sich natürlich auf viele Bereiche aus. Wir haben unter Berücksichtigung der aktuellen Lage ein stabiles Fundament für die Steuergesetzreform geschaffen und blicken dieser positiv entgegen.
Sie sehen sich als Brückenbauer zwischen Stadt und Land. Wo liegen die Diskrepanzen?
Neben der Stadt und der Agglomeration als urbanes Zentrum gibt es viele landwirtschaftlich geprägte Regionen, insbesondere im Luzerner Hinterland. Gerade diese Vielseitigkeit macht den Kanton interessant. Wir liegen zentral, sind gut erreichbar und können attraktive Naherholungsgebiete bieten. Insofern möchte ich nicht von Diskrepanzen sprechen, sondern von unterschiedlichen Ausgangslagen. Unsere Aufgabe ist es, bei allen Entscheidungen diese unterschiedliche Betroffenheit im Auge zu behalten. Eine Agglomerationsstadt hat andere Bedürfnisse als eine ländlich geprägte Gemeinde im Entlebuch. Dank dem kantonalen Finanzausgleich können wir in allen Gemeinden vergleichbare Dienstleistungen für die Bevölkerung anbieten.
Sie haben eine Lehre als Bauzeichner und danach ein Studium zum Bauingenieur absolviert. Inwiefern fliessen Ihre damals erworbenen Kenntnisse in Ihre jetzige Tätigkeit ein?
Ich bin ein grosser Freund des dualen Bildungssystems: Eine Berufsausbildung ist nicht besser oder schlechter als der akademische Weg. Sie ist einfach anders. Während meiner Lehre habe ich gelernt, Verantwortung für die von mir ausgeführte Arbeit zu übernehmen und diese sehr exakt zu erledigen. Das kommt mir in meiner heutigen Aufgabe als Finanzdirektor zugute. Gerade im Immobilienbereich weiss ich, wie Bauprojekte aufgegleist werden und kenne die Abläufe. Grundsätzlich ist eine Ausbildung wie ich sie geniessen durfte eine gute Basis für eine breite Bandbreite an Aufgaben.
Welche Strategie verfolgen Sie in Ihrem Departement in Sachen Digitalisierung?
Ich bin überzeugt, dass der digitale Wandel eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und Wirtschaft darstellt. Insofern haben wir eine Digitalstrategie erarbeitet, die auf den gesamten Kanton ausgerichtet ist und dessen zukunftsgerechte Entwicklung sicherstellen soll. Verwaltungsintern wollen wir unsere Dienstleistungen zeitgemäss – sprich digital – erbringen. Das Service-Portal haben wir gemeinsam mit den Luzerner Gemeinden aufgegleist. Dieses soll kommunale und kantonale Dienstleistungen online anbieten. Geplant ist ein digitales Zugangstor für sämtliche Angebote der öffentlichen Hand des Kantons Luzern. Uns geht es nicht nur darum, eine optimale Lösung für die Verwaltung zu finden, sondern auch eine, die den Bewohnerinnen und Bewohnern das Leben erleichtert.
Was macht den Kanton Luzern für Unternehmen attraktiv?
Wir bieten gute Rahmenbedingungen, etwa bei der Gewinnbesteuerung, die wir im Jahr 2012 halbiert haben. Damit waren wir einige Jahre der Kanton mit der tiefsten Gewinnbesteuerung juristischer Personen – das hat sich positiv ausgewirkt. Mit der geplanten Steuergesetzrevision stellen wir sicher, dass wir auch in Zukunft ein attraktiver Wirtschaftsstandort sind. Aber auch unsere Bildungsinstitutionen sind ein wichtiger Faktor. Wir haben bewusst in die Bildung investiert und gehören zu den eher jüngeren Bildungskantonen. Ausserdem profitieren wir von unserer zentralen Lage und den ausreichend zur Verfügung stehenden Flächen für Unternehmen. Uns ist bewusst, dass wir uns mit den angrenzenden Kantonen in einem kompetitiven Umfeld bewegen. Wir müssen uns stetig bewegen, um attraktiv zu bleiben.
Der Kanton Luzern setzt bei der Wirtschaftsförderung auf ein Sondermodell.
Richtig. Wir sind der einzige Kanton der Schweiz, der die Wirtschaftsförderung nicht kantonal regelt, sondern in eine Stiftung ausgelagert hat. Dort sind die Unternehmen als Partner der Kantone und Gemeinden vertreten. Wir sind überzeugt, dass es wichtig ist, dass die Wirtschaft mitentscheiden kann und sich wertgeschätzt fühlt. Wir legen deshalb grossen Wert auf die Bestandespflege und möchten für gute Rahmenbedingungen für die Privatwirtschaft sorgen. Wir streben ein qualitatives Wachstum an und erhalten für unser Modell gute Feedbacks.
Wie steht es um die Zersiedelung im Kanton Luzern und was wird dagegen unternommen?
Wir unterstützen den haushälterischen Umgang mit dem Boden und versuchen, dies mit gesetzlichen Grundlagen zu fördern. Verdichtetes Bauen ist in unserem Richtplan und in den kommunalen Zonenplänen das Gebot der Stunde. Aufgrund des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes zählen wir heute 21 Gemeinden, die ihre Bauzonen um bis zu 70 Hektaren reduzieren müssen – sogenannte Rückzonungs-Gemeinden. Dies ist kein einfacher Prozess, aber wir bleiben dran. Mit unserem Richtplan möchten wir die Entwicklung ermöglichen und gleichzeitig unserer Kulturlandschaft Sorge tragen.
Vor allem in den Zentren herrscht Wohnungsnot. Welche Massnahmen müssen getroffen werden, um die Situation zu entschärfen?
Dieses Problem kann die öffentliche Hand alleine nicht lösen. Hier ist ein Zusammenspiel zwischen der Privatwirtschaft, Investoren und der öffentlichen Hand gefragt. Wir schaffen Anreize zu verdichtetem Bauen, indem wir höhere Ausnutzungen ermöglichen. Zudem stellen wir geeignete Flächen für Wohnungsbauten zur Verfügung wie beispielsweise beim Seetalplatz oder in Ebikon. So können rund 200 Wohnungen realisiert werden.