«NEST bietet die ideale Umgebung, um unsere Innovation weiterzuentwickeln»
Gebäudefassaden bergen grosses Potenzial, um Energie zu produzieren und einzusparen. Heutzutage wird dieses Potenzial aber immer noch zu wenig genutzt. Im Rahmen der NEST-Unit HiLo haben Forschende der «Architecture and Building Systems Group» der ETH Zürich eine innovative Adaptive Solarfassade entwickelt, die gleichzeitig die Stromproduktion und die Energieeinsparung optimiert. Demonstratoren der Fassade wurden an der HiLo-Unit getestet. Mit der Gründung des Spin-offs «Zurich Soft Robotics» der ETH Zürich soll das Produkt nun unter dem Namen «Solskin» auf den Markt gebracht werden.
Gebäude sind für mehr als 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich. Ein Grossteil wird dabei für die Sicherstellung des Nutzerkomforts aufgewendet – also für die Heizung und die Kühlung. Gerade im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen im Energiemarkt stellt sich die grosse Frage, wie wir unseren Energieverbrauch künftig decken können. Es müssen Wege gefunden werden, neue Energiequellen zu erschliessen und gleichzeitig den Energieverbrauch von Gebäuden zu senken. Einer davon könnte die bessere Nutzung der Fassadenflächen sein.
Das birgt durchaus Potenzial, da die Gebäudefassade nach wie vor mehrheitlich ungenutzt und gleichzeitig der zentrale Faktor ist, um Energie entweder ins Gebäude zu lassen oder diese drinnen zu behalten. Forschende der ETH Zürich haben deshalb im Rahmen der NEST-Unit HiLo eine Innovation entwickelt, mit der dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann: eine adaptive Solarfassade, die nicht nur die Stromproduktion optimiert, sondern gleichzeitig auch den Energieverlust reduziert. An der eigentlichen Fassade angebracht, bildet diese eine Art zweite Haut für das Gebäude. Die Innovation trägt so auch den passenden Namen «Solskin».
Einfache Architektonische Einbettung
«Wir wollten eine Fassade entwickeln, die man sehr einfach an einem Gebäude installieren und optimal in die Architektur integrieren kann», erklärt Bratislav Svetozarevic die Idee hinter der Innovation. Er war von Anfang an massgeblich an der Entwicklung von «Solskin» beteiligt, zunächst 2014 als Doktorand in der «Architecture and Building Systems»-Gruppe von Arno Schlüter an der ETH Zürich und ab 2018 als Post Doc an der ETH und der Empa, wo er an verwandten Themen forschte.
«Solskin» besteht aus einer leichten Unterkonstruktion, die an der Fassade befestigt wird. Darauf montiert befinden sich kleine quadratische Dünnschicht-Solarpanels, die farblich an die bestehende Gebäudehülle angepasst werden können. So fügt sich die Solarfassade optimal in das jeweilige Gesamtbild des Gebäudes ein. Gleichzeitig lassen sich die Panels einzeln in alle Richtungen drehen. Denn hinter jedem Modul befindet sich eine Steuerungseinheit, die Svetozarevic und seine Kolleginnen und Kollegen im Laufe der Jahre entwickelt haben. Das Spezielle dabei: die Ausrichtung der Panels erfolgt mit Luftdruck. Die verwendeten Materialien sind sowohl robust wie auch flexibel, damit das System auch starken Windböen und Niederschlag standhält.
Realitätscheck
Die Idee der flexiblen Ausrichtung ist es, dass die Solarfassade dem Sonnenstand folgen kann und dadurch die Stromproduktion optimiert wird. Gleichzeitig dient «Solskin» auch dazu, das Gebäude im Sommer aktiv zu beschatten und so den Kühlbedarf zu reduzieren oder die Paneele zu öffnen und die Sonnenstrahlen in den Innenraum zu lassen und so im Winter Heizenergie zu sparen.
Die ersten Prototypentests an der ETH Zürich haben die Forschenden von der Anwendbarkeit der Innovation überzeugt. Doch würde die innovative Fassade auch an einem realen Gebäude funktionieren? Um die Antwort auf diese Frage zu finden, wurde «Solskin» an der Fassade der HiLo-Unit angebracht. «HiLo bot uns die Möglichkeit, unser System erstmals an einem belebten Gebäude zu installieren und zu testen. So waren wir in der Lage, die Nutzung und Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer zu erfassen», erklärt Svetozarevic. Ein wichtiger Faktor, denn neben dem eigentlichen System haben die Forschenden auch einen Algorithmus entwickelt, der die Bedürfnisse der Personen, die in der HiLo-Unit arbeiten, erfasst und so neben der Optimierung der Produktion auch den Nutzerkomfort verbessern kann. Mithilfe der Daten aus dem Betrieb am NEST wird dieser nun weiterentwickelt.
Eine strahlende Zukunft
Die Ergebnisse der Prototypen und des Pilotprojekts am NEST zeigen eine klare Richtung: Mit «Solskin» lässt sich Energie einsparen – und zwar enorm. Während die Solarproduktion im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen um bis zu 40 Prozent gesteigert werden kann, ist bei der Heiz- und Kühlenergie im Vergleich zu einem konventionellen, nicht anpassungsfähigen Beschattungssystem eine Einsparung von bis zu 80 Prozent möglich. «Wir freuen uns, dass wir am NEST zeigen konnten, dass unser System funktioniert und welches Potenzial es aufweist», meint Svetozarevic strahlend. Von diesem Potenzial zeigten sich auch diverse Fachjurys überzeugt, die «Solksin» ausgezeichnet haben. Unter den Awards befindet sich auch der renommierte Watt d’Or, der vom Bundesamt für Energie jährlich verliehen wird.
Im nächsten Schritt geht es nun an die Kommerzialisierung. Zu diesem Zweck hat Bratislav Svetozarevic mit seinem Team 2022 das Spin-Off «Zurich Soft Robotics» gegründet und konnte bereits einen grösseren Auftrag an Land ziehen. Die Firma KELLER Druckmesstechnik AG in Winterthur möchte «Solskin» an ihrem neuen Produktionsgebäude anbringen – und zwar auf einer Gesamtfläche von 1’300m2.
Neben der Nutzung an neuen Gebäuden eignet sich die Innovation aber auch ideal für die Aufrüstung von älteren Bauten. Damit birgt «Solskin» grosses Potenzial den gesamten Gebäudepark energetisch zu optimieren und damit eine Antwort darauf zu geben, wie wir auch in Zukunft genügend Energie für den Betrieb unserer Gebäude generieren können.