Ressourceneffizienz durch Mittelspannung in der Photovoltaik
Das Fraunhofer ISE revolutioniert die Photovoltaik durch den Einsatz von Mittelspannung in PV-Grosskraftwerken. Diese innovative Technologie spart Rohstoffe, senkt Installationskosten und erhöht die Systemleistung. Pilotprojekte und eine Markteinführung sind bereits in Planung.
Der Umbau des Energiesystems erfordert erhebliche Mengen an Rohstoffen wie Kupfer und Aluminium. Ein vielversprechender Ansatz zur Einsparung dieser Ressourcen ist der Übergang von Niederspannung zu Mittelspannung bei der erneuerbaren Energieproduktion. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE identifiziert besonders bei Photovoltaik-Grosskraftwerken ein enormes Einsparpotenzial durch höhere Systemspannungen und plant erste Pilotprojekte sowie eine breite Markteinführung.
Vorteile höherer Systemspannungen
Eine Erhöhung der Systemspannung von 800 VAC auf 1.500 VAC führt zu einer Reduktion des Kabelquerschnitts um etwa 75 Prozent. Dies erleichtert die Verlegung und den Anschluss, wodurch die Installationskosten gesenkt werden. Andreas Hensel, Gruppenleiter »Hochleistungselektronik und Systemtechnik« am Fraunhofer ISE, betont die Einsparungsmöglichkeiten: «Nachdem die PV-Modulkosten seit 2010 um 90 Prozent gesunken sind, bieten Installation und Balance-of-System Komponenten nun die grössten Einsparungshebel.»
Zusätzlich kann die Leistung der Subsysteme durch den Schritt in die Mittelspannung erhöht werden. Bei einer Spannung von 1.500 V sind bereits 10 bis 12 MVA statt der heute üblichen 3 bis 5 MVA in einem Transformator möglich. Dies reduziert die Anzahl der benötigten Transformatoren und Schaltanlagen, was die Bau- und Installationskosten weiter verringert.
Technologische Fortschritte und erste Erfolge
Der Fortschritt in der Mittelspannungstechnik wurde durch die Entwicklung hochsperrender Siliziumkarbid-Bauelemente mit hohen Schaltgeschwindigkeiten ermöglicht. SiC-Bauteile bis zu 3,3 kV sind inzwischen marktreif. Im Projekt »MS-LeiKra« hat das Fraunhofer ISE 2023 den weltweit ersten MS-PV-Stringwechselrichter entwickelt und erfolgreich in Betrieb genommen. Der Wechselrichter erreicht eine Ausgangsspannung von 1.500 VAC bei einer Leistung von 250 kVA. «Technologisch sind die Weichen gestellt, und es geht nun darum, wer die ersten Akteure an diesem aussichtsreichen Markt sind», so Christian Schöner, Projektleiter »Mittelspannung« am Fraunhofer ISE. Eine erste Photovoltaik-Pilotanlage auf Basis dieses Wechselrichters ist bereits in Planung.
Zusammenarbeit für den Durchbruch
Im April wurde ein europäisches Konsortium gebildet, das Vertreter aller an einem PV-Grosskraftwerk beteiligten Gewerke vereint. Ziel ist es, die technologischen und normativen Voraussetzungen für den Sprung in die Mittelspannung gemeinsam zu untersuchen und zu überwinden. «Als schlagkräftiges Konsortium können wir die bestehenden Hürden gemeinsam angehen und eine Optimierung für das komplette Kraftwerk erzielen», erklärt Christian Schöner.
Zukunftsperspektiven und Anwendungsbereiche
PV-Grosskraftwerke sind erst der Anfang. Die Mittelspannungstechnologie bietet auch Potenzial für Ladeinfrastrukturen, Industrienetze, Grosswärmepumpen, Batteriespeicher, Elektrolyseure und Windkraftanlagen. Höhere Systemspannungen ermöglichen neben erheblichen Material-, Kosten- und Flächeneinsparungen auch neue Systemarchitekturen regenerativer Hybridkraftwerke. Diese können über die Mittelspannung miteinander verknüpft werden und somit eine effiziente und nachhaltige Energieversorgung sicherstellen.