Wenn der Bau stockt, steht das Land still

Der Ingenieurmangel entwickelt sich zur unterschätzten Systemkrise. Während Bauwerke altern, fehlen jene Fachkräfte, die sie sichern und erneuern. Prof. Dr. Adrian Wildenauer fordert im BauTechTalk ein radikales Umdenken in Ausbildung, Planung und Wahrnehmung.
Brücken, Tunnel, Gebäude sind das Rückgrat unseres Wohlstands. Doch was, wenn niemand mehr da ist, der es instand hält? Der Beruf des Bauingenieurs verliert an Zulauf und mit ihm schwindet das Wissen, das unsere gebaute Umwelt am Leben erhält. Die Zahl der Studierenden hat sich halbiert und das mitten in einem Land, das ohne funktionierende Infrastruktur nicht überlebensfähig ist.
Imageproblem mit Folgen
Das Ingenieurwesen leidet nicht an Relevanz, sondern an Wahrnehmung. Zwischen verstaubten Klischees und öffentlich gescheiterten Grossprojekten verlieren sich junge Talente lieber in IT und Betriebswirtschaft. Dabei ist der Beruf zukunftsentscheidend und spannender denn je.
Digitales Denken statt analoge Routine
Adrian Wildenauer zeigt, wie es anders geht. Als Professor an der Berner Fachhochschule fordert er von seinen Studierenden kein „Knöpfchendrücken“, sondern tiefes Systemverständnis. Digitale Planung wird dabei nicht als Werkzeug, sondern als Haltung vermittelt, um Prozesse neu zu denken und die Branche zu transformieren.
Strukturen statt Einzelstücke: Zeit für industrielle Standards
Die Schweizer Bauwirtschaft plant noch immer Projekt für Projekt als Prototyp. Das sei ineffizient, teuer und wenig nachhaltig, so Wildenauer. Mit dem kommenden digitalen Produktpass wird sich das ändern. Wer künftig liefern will, muss Daten und Qualität nachweisen. Der Druck zur Standardisierung steigt.
Diversität statt Dogma
Gerade Frauen würden in Ausbildung brillieren, verschwinden aber oft vor dem Berufseinstieg. Eine Branche, die sich nur an traditionelle Rollenbilder klammert, verspielt enormes Potenzial. Gefragt sind interdisziplinäre, diverse Teams, denn der Bau der Zukunft braucht neue Perspektiven.
Bauen heisst Zukunft gestalten
Wildenauers Appell ist klar, das Ingenieurwesen ist kein Beruf wie jeder andere. Es ist Fundament und Fortschritt zugleich. Wer baut, schafft Werte für Generationen. Doch ohne junge Menschen, die diesen Beruf als Chance begreifen, droht ein stiller Stillstand.
Jetzt handeln bevor es zu spät ist
Ingenieurberufe müssen neu erzählt, modern gelehrt und gesellschaftlich aufgewertet werden. Nur so bleibt die Schweiz baulich und wirtschaftlich tragfähig. Es geht um weit mehr als Gebäude. Es geht um unser gemeinsames Fundament.