Wie unsinnige Vorschriften den Wohnungsbau bremsen
Der Wohnungsmangel in den Schweizer Städten verschärft sich, und langwierige Baubewilligungsverfahren sowie eine Vielzahl unnötiger Bauvorschriften tragen massgeblich dazu bei. Experten aus der Bau- und Immobilienbranche schlagen Alarm und fordern dringend Reformen, um den stagnierenden Wohnungsbau wieder anzukurbeln.
In den Schweizer Städten sind Mietwohnungen knapp und teuer, und die Gründe dafür sind vielfältig. Ein entscheidender Faktor ist die zunehmend längere Wartezeit zwischen Baugesuch und Baubewilligung. Die Anzahl der Wartetage hat sich in den letzten zehn Jahren im gesamtschweizerischen Durchschnitt um rund 12 Prozent erhöht. Während Baugesuche vor einem Jahrzehnt noch durchschnittlich 118 Tage bis zur Genehmigung benötigten, sind es heute bereits 133 Tage.
Besonders betroffen sind die Kantone Genf, Freiburg und Basel-Stadt, wo die Prüfung eines Baugesuchs bis zu 188 Tage dauert. Auch im Kanton Zürich ist die Wartezeit mit 152 Tagen beträchtlich. Diese Verzögerungen sind ein Symptom für tiefgreifendere Probleme im Schweizer Bauwesen.
Unsinnige Vorschriften als Bremsklotz
Architekten und Fachleute sehen in unsinnigen Bauvorschriften ein zentrales Hindernis für den raschen Neubau von Mietwohnungen in urbanen Zentren. Peter Sturzenegger, Eigentümer des Architekturbüros Isler Architekten AG in Winterthur, nennt den Mehrlängenzuschlag (MLZ) als Beispiel. Diese Vorschrift schreibt vor, dass bei Gebäuden ab 14 Metern Länge der Grenzabstand vergrössert werden muss, was viele Bauprojekte verunmöglicht hat. In Winterthur ist die Aufhebung dieser Vorschrift bis Ende 2025 geplant, doch in anderen Städten wie Zürich bleibt die Zukunft dieser Regel ungewiss.
Überholte Gesetze und ihre Folgen
Ein weiteres Beispiel für veraltete Bauvorschriften ist die Ausrichtung von Wohnräumen im Kanton Zürich. Das Planungs- und Baugesetz verlangt, dass Wohnräume nicht mehrheitlich nach Nordosten oder Nordwesten ausgerichtet sein dürfen, um Tageslicht zu maximieren und Schimmelbildung zu vermeiden. Pascal Müller von der Müller Sigrist Architekten AG argumentiert jedoch, dass diese Vorschrift im Kontext heutiger urbaner Gegebenheiten, wie Lärmbelastung und Klimawandel, nicht mehr zeitgemäss ist.
Neben den gesetzlichen Hürden kritisiert Müller auch die Rolle der Gerichte. Die Vielzahl an Rechtsprechungen und Gerichtsentscheiden schafft Unsicherheiten für Bauherren, da sie die Vorschriften ständig verändern und den Spielraum für Planer erheblich einschränken.
Denkmalschutz und energetische Sanierung
Der Aargauer Architekt Daniel Huber hebt die restriktiven Vorgaben im Denkmalschutz und die komplexen Anforderungen bei energetischen Sanierungen als weitere Hemmschuhe hervor. Besonders problematisch ist für ihn die uneinheitliche Umsetzung von Bauvorschriften, die stark von der Interpretation der zuständigen Behörden abhängt.
Die Masse an Vorschriften als zentrales Problem
Der Schweizer Baumeisterverband sieht die wachsende Zahl und Komplexität der Bauvorschriften als grösste Herausforderung. Jacqueline Theiler, Leiterin Kommunikation des Verbands, erklärt, dass die zunehmende Regulierungsdichte und die damit verbundenen Rechtsmittelverfahren die Baubewilligungsverfahren erheblich verlängern. Besonders problematisch sei die Überinterpretation bestehender Lärmvorschriften durch das Bundesgericht.
Der Verband setzt nun Hoffnungen auf rasche Gesetzesänderungen durch das Parlament, um den stockenden Wohnungsbau wieder in Schwung zu bringen und die dringend benötigten Wohnungen in der Schweiz zu realisieren.