«Zukunft Bahnhof Bern» schreitet
trotz Verzögerungen voran
Der Bahnhof Bern wird bis 2029 umfassend um- und teilweise neu gebaut. Damit soll der öffentliche Verkehr nicht nur fit für die Zukunft, sondern auch das Berner Strassennetz entlastet werden. Die Bauherren SBB und RBS bauen auf engstem Raum – und sind dabei gleich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert.
Der Kanton und die Stadt Bern, der Bund, die SBB und der RBS spannen zusammen und haben gemeinsam das Projekt «Zukunft Bahnhof Bern» (ZBB) geplant. Das Gesamtprojekt ist in verschiedene Teilbereiche gegliedert:
- Die SBB sind für den Bau der neuen unterirdischen Passage «Unterführung Mitte» verantwortlich. Die Arbeiten hierzu laufen seit dem Jahr 2017. Die neue Unterführung wird von der bestehenden Unterführung, dem Bubenbergplatz und von der Länggasse her zugänglich sein.
- Der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) baut einen neuen RBS-Bahnhof unterhalb des SBB-Bahnhofs.
- SBB Immobilien baut das Bubenbergzentrum 10-12 neu.
- Die Stadt Bern trifft abgestimmt auf den Ausbau des Bahnhofs Massnahmen, um den Verkehr im Bahnhofumfeld neu zu organisieren und zu gestalten. Dazu gehört auch eine Verlängerung der neuen «Unterführung Mitte» vom neuen Bahnhofzugang Bubenberg direkt zum Hirschengraben.
Mit diesem Grossprojekt verbessert der Kanton Bern seine Erreichbarkeit und fördert die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts. Reisende profitieren künftig von mehr Platz und kürzeren Wegen innerhalb des Bahnhofs, in die Stadt und zu den Trams und Bussen. Die Publikumsanlagen im Bahnhof Bern werden so ausgebaut, dass sie der Entwicklung der Reisendenzahlen in Zukunft gerecht werden. «Vor Baustart 2016 gab es täglich ungefähr 270’000 Ein- und Aussteigende pro Tag im Bahnhof Bern. Anfang 2020 waren es bereits 320’000 und die Prognosen sprechen von rund 375’000 Ein- und Aussteigenden ab 2030. Entsprechend ist der Ausbau konzipiert», erklärt Angela Disch, Gesamtprojektleiterin SBB Infrastruktur.
Der Umbau sei eine «Operation am offenen Herzen», sagt Disch und führt aus: «Schliesslich bauen wir unter anderem direkt unterhalb der befahrenen Gleise eine komplett neue Personenunterführung – und darunter entsteht auch noch der neue RBS-Bahnhof.» Eine der grössten He-rausforderungen sei es, die Bedürfnisse der verschiedenen Bauherrinnen und der Reisenden aufeinander abzustimmen. Ausserdem brauche es viel Rücksicht auf die Anwohnenden. «Nicht zuletzt sind in diesem urbanen Raum Flächen für Logistik, Maschinen und Baumaterial Mangelware», sagt Disch.
Für «Zukunft Bahnhof Bern» wird mit Investitionen von gut einer Milliarde Franken gerechnet. Davon fallen rund 730 Millionen auf den RBS-Bahnhof. Das Projekt der SBB ist mit 375 Millionen budgetiert, und die Verkehrsmassnahmen der Stadt Bern sollen mit maximal 112 Millionen Franken zu Buche schlagen – die Stadtberner Stimmberechtigten haben den entsprechenden Kredit im März 2021 genehmigt. Die Kosten werden anteilsmässig vom Bund, dem Kanton Bern sowie der Stadt Bern getragen.
Während sich die Bauarbeiten am RBS-Bahnhof verzögern, laufen die Arbeiten der SBB nach Plan. Allerdings wirken sich die Verzögerungen der Bauarbeiten des RBS-Bahnhofs auf den Ausbau der Publikumsanlagen aus. Statisch sind die Projekte der RBS und der SBB voneinander abhängig, da der RBS unterhalb der SBB-Baustelle und der bestehenden Perronhalle baut. Die SBB können die Ausbauarbeiten zur neuen Unterführung somit erst 2023 weiterführen, wenn der RBS Teile der Kaverne Nord (eine der beiden unterirdischen Hallen des neuen RBS-Bahnhofs) so weit gebaut hat, dass sie belastbar genug sind. Aus diesem Grund dürften die SBB ihre Ausbauten nach heutigem Stand ab April 2028 in Betrieb nehmen – rund ein Jahr später, als ursprünglich geplant.
Nach Plan kann das Bubenbergzentrum 10-12 gebaut werden. Die Bauarbeiten starteten im März 2022 (siehe S. 40). Seit dem Jahr 2019 abgeschlossen sind der Bau des Zugangsstollens auf der Grossen Schanze sowie die Perronverlängerung. Ausserdem wurden die Perrons der Gleise 12/13 und 9/10 für ein barrierefreies Ein- und Aussteigen erhöht. Bis März 2023 werden Mikropfahlarbeiten an den Gleisen 1-8 vorgenommen, bevor die Unterführung weiter Richtung Süden ausgebaut werden kann.
Auch der RBS-Bahnhof vermeldet trotz der Verzögerung Fortschritte: Bei der Kaverne Nord laufen die Ausbrucharbeiten auf der zweiten von vier Ebenen. Mit der definitiven Gewölbesicherung wurde zudem bereits begonnen. Währenddessen wird in der Südkaverne die Logistikkaverne fertiggestellt. Im Januar dieses Jahres konnten die Ausbrucharbeiten für den unteren Tunnelquerschnitt im Raum Hirschenpark/Eilgut abgeschlossen und mit den Betonierarbeiten für das Tunnelgewölbe begonnen werden. Rund 20 Meter unter den Abstellgleisen von SBB und BLS – im Untergrund des Eilguts – stehen die Aushubarbeiten kurz vor dem Abschluss. Hier sollen bis im Sommer 2022 die Bodenplatten eingebaut werden, auf denen später die Gleise für die RBS-Züge verlegt werden.
Beim städtischen Projekt (Verkehrsmassnahmen Stadt Bern) liegt seit Februar 2022 die Vorprüfung vor, welche durch das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) durchgeführt wurde. Der Gemeinderat der Stadt Bern hat aufgrund der Ergebnisse anschliessend entschieden, ein gartendenkmalpflegerisches sowie ein Baumgutachten für die geplante Umgestaltung des Hirschengrabens in Auftrag zu geben. Ein archäologisches Gutachten soll zudem die genaue Situation der Tränke unter dem Hirschengraben eruieren. Diese Zusatzabklärungen sorgen für eine Verzögerung bei der öffentlichen Auflage des Projekts, die nun Ende 2022 / Anfang 2023 erfolgen dürfte. Die Bauarbeiten kann die Stadt Bern somit frühestens 2024 aufnehmen.
Die Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs Bern war von Anfang an gestaffelt vorgesehen. Das Credo lautet: Was fertig ist, wird in Betrieb genommen. So wird sichergestellt, dass die Öffentlichkeit schnellstmöglich vom neuen Bahnhof profitieren kann. Eine grosse Eröffnung ist also nicht geplant.